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Fachtagung zu den Hilfen zur Erziehung in Nordrhein-Westfalen am 04.06.24 in Gelsenkirchen

Eine Kooperationsveranstaltung der beiden Landesjugendämter Westfalen-Lippe und Rheinland sowie der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik

Am 4. Juni 2024 fand die fünfte Fachtagung in der Reihe „Hilfen zur Erziehung im Dialog“ im Wissenschaftspark in Gelsenkirchen statt. Nachdem die letzten beiden Veranstaltungen pandemiebedingt noch in digitaler Form durchgeführt worden sind, konnte die Fachveranstaltung wieder in Präsenz stattfinden.

Mit der Fragestellung „Steuern Krisen oder Krisen steuern?“ lag der Fokus der Tagung einerseits auf den vielfältigen Herausforderungen bedingt durch verschiedene Krisen und gesetzliche Neuerungen, denen sich Akteur:innen des Arbeitsfeldes derzeit gegenübersehen. Andererseits wurde auf Möglichkeiten geschaut, diesen Herausforderungen aktiv und präventiv zu begegnen.

Etwa 150 Vertreter:innen der Fachpraxis, -wissenschaft und -politik diskutierten ausgehend von den empirischen Befunden der Kinder- und Jugendhilfestatistik des landesweiten HzE-Berichtswesens und ergänzt durch Erfahrungen aus der Praxis zu unterschiedlichen Themen, die das zweitgrößte Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe aktuell bewegen.

Nach der Begrüßung durch Sandra Rostock vom LVR-Landesjugendamt Rheinland machte Dr. Thomas Mühlmann von der AKJStat (Forschungsverbund DJI/TU Dortmund) mit seinem Vortrag den Anfang und gab einen Überblick über die Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung der letzten zehn Jahre. Dabei wurden neben altersspezifischen Analysen auch Besonderheiten des Landes NRW im Vergleich zu dem übrigen Bundesgebiet dargestellt, die wahrscheinlich ein Ergebnis aktiver Steuerung sind. Beispielsweise werden junge Kinder, die nicht mehr in ihrer Herkunftsfamilie leben können, in NRW anteilig viel häufiger in Pflegefamilien und seltener in Einrichtungen untergebracht.

Die anschließende Podiumsdiskussion griff das Leitthema der Fachtagung, das Spannungsfeld zwischen Krisenmanagement und Zukunftsgestaltung, auf. Vertreter:innen aus der Wissenschaft sowie der Praxis diskutierten engagiert über Themen, wie z.B. den Qualitätsanspruch in der Fallbearbeitung im Horizont des virulenten Personalbedarfs, die steigenden Fallkosten in der stationären Unterbringung oder die bevorstehende inklusive Lösung. Mit Blick auf die Zukunft war die Bildung von Verantwortungsgemeinschaften, sei es auf politischer Ebene, mit anderen Akteur:innen des Sozial- und Bildungswesens oder in der Ausbildung zur Fachkräftegewinnung, wie beispielsweise das landesgeförderte Modellprojekt „Vertiefungsspur ASD“ in Kooperation zwischen Fachhochschulen und Jugendämtern, ein zentraler Appell und Ergebnis der Diskussion. 

Mit dem Tagungskonzept „Empirie trifft Praxis“ ging es auch in den sechs Foren weiter. Empirische Befunde aus den Arbeiten des Forschungsverbundes DJI/TU Dortmund und der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik sowie Ergebnisse weiterer Forschungsprojekte wurden hier durch Expert:innenbeiträge aus der Praxis ergänzt und gemeinsam mit den Teilnehmenden diskutiert.

Im Forum zum Personal in den Hilfen zur Erziehung wurden Entwicklungen und Zukunftsszenarien auf Grundlage der amtlichen Statistik vorgestellt sowie ein Einblick in die Praxis seitens des Trägers junikum aus Oer-Erkenschwick mit dem Fokus auf Personalgewinnung und -bindung gegeben. Insbesondere letztere Themen wurden im Forum von den Teilnehmenden aufgegriffen und diskutiert.

Die Diskussion im Forum zur Personalsituation im Allgemeinen Sozialen Dienst drehte sich um die Themen Arbeitsbelastung, Fluktuation und Fachkräftemangel. Diese drei Themen wurden im Forum als eng verknüpft beschrieben und ihre aktuelle Bedeutung für den Allgemeinen Sozialen Dienst herausgestellt. Dabei benannten die Teilnehmer:innen unterschiedliche lokale Gegebenheiten und diskutierten über die Erfahrungen mit verschiedenen Maßnahmen für eine Verbesserung der Personalsituation.

Über Erfahrungen aus dem Pilotprojekt zur Entwicklung und Erprobung von Qualitätsentwicklungsverfahren im jugendamtlichen Kinderschutz in Nordrhein-Westfalen (QueK Pilot) wurde in einem weiteren Forum diskutiert. Das Projekt wird auf der Grundlage von § 8 Landeskinderschutzgesetz NRW vom Deutschen Jugendinstitut (DJI), vom Institut für soziale Arbeit e.V. (ISA) und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutz-Zentren (BAG KIZ) seit Juli 2023 mit 18 Jugendämtern durchgeführt. Prof. Dr. Christian Schrapper (ISA) gab einen Einblick in das Projekt, welches durch Erfahrungen mit der Fallanalyse im Jugendamt Bielefeld – als eine beteiligte Kommune – seitens Anke Berkemeyer, ASD-Leiterin in Bielefeld, ergänzt wurde.

In einem weiteren Forum wurde der Blick auf die aktuelle Entwicklung bei den Eingliederungshilfen sowie auf die Verfahrenslots:innen gerichtet. Diskutiert wurden die Inanspruchnahmezahlen der Eingliederungshilfen nach § 35a SGB VIII und nach SGB IX für NRW sowie über Verfahrenslots:innen in den Kommunen – ihren unterschiedlichen organisationalen Anbindungen und Aufgabenschwerpunkten sowie die Frage, wie Stellenumfänge für Verfahrenslots:innen ermittelt werden.

In Forum 5 wurde das Thema der unbegleiteten ausländischen Minderjährigen (UMA) vor dem Hintergrund der in der jüngsten Zeit gestiegenen Fallzahlen von Inobhutnahmen für UMA diskutiert. Grundlage für die Diskussionen bot einerseits der Blick auf die Entwicklung der Fälle für UMA in den Inobhutnahmen und den Hilfen zur Erziehung und anderseits der Bericht der Stadt Eschweiler über die Arbeit mit geflüchteten jungen Menschen, u.a. die Unterstützungsangebote eines freien Trägers vor Ort.

In dem Forum zu prekären Lebenslagen von Familien wurde wiederum ein Thema aufgegriffen, welches seit jeher eine zentrale Herausforderung für die Akteur:innen der Hilfen zur Erziehung darstellt. Darauf weist der HzE-Bericht immer wieder hin. Mit dem Sozialräumlichen Präventionsmonitoring des Kreises Lippe wurde beispielhaft ein Projekt vorgestellt, welches interdisziplinär kommunale Daten auswertet und auf dieser Grundlage Strategien und Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen entwickelt.

Die Foren zeichneten sich durch lebhafte und konstruktive Diskussionen aus. Erkenntnisse und Erfahrungen wurden ausgetauscht und spannende Gedanken zur Zukunft der Hilfen zur Erziehung im Allgemeinen und dem landesweiten Berichtswesen in Nordrhein-Westfalen im Besonderen entwickelt.

Zum Schluss der Fachtagung zog Anke Mützenich – Leiterin des Referats „Kinder- und Jugendrecht, Jugendfreiwilligendienste, Petitionen, Ergänzendes Hilfesystem (EHS)“ der Abteilung für Kinder und Jugend im Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (MKJFGFI NRW) – nicht nur eine Bilanz der Fachtagung, sondern richtete den Blick auch auf zukünftige Aufgaben, u.a. die Schaffung von adäquaten Unterbringungsformen für unbegleitete ausländische Minderjährige sowie die inklusive Lösung, welche insbesondere das Land NRW mit den 186 Jugendämtern vor große strukturelle Herausforderungen stellen wird.

Die fünfte Fachtagung aus der Reihe „Hilfen zur Erziehung im Dialog“ hat einmal mehr die große Bedeutung des gemeinsamen Austausches zwischen Praxis, Wissenschaft und Politik gezeigt. Empirische Analysen des landesweiten Berichtswesens leisten hierzu eine wichtige Grundlage, weil sie zur Versachlichung der Fachdiskussionen beitragen. Die Perspektiven aus der Fachpraxis und -politik bieten einen „Spiegel der Realität“, die dabei helfen die Ergebnisse einzuordnen, Fragen zu formulieren und Schlüsse für die zukünftige Gestaltung des Feldes zu ziehen.

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Beiträge der Fachtagung als Download


Flyer der Veranstaltung


Die Fachveranstaltung mit dem Reihentitel „Hilfen zur Erziehung im Dialog“ ist Teil einer Transferstrategie für das landesweite Berichtswesen in NRW – ein Projekt, welches durch das Land gefördert und gemeinsam von den beiden Landesjugendämter und der AKJStat durchgeführt wird. Der nächste HzE-Bericht – als weiterer Baustein der Transferstrategie – wird im Sommer 2025 erscheinen.